SÄULE 8: Rhythmus + Ausgleich

Der Körper besteht aus Yin und Yang.
Yin und Yang sind Ruhe und Bewegung.
Wenn Ruhe und Bewegung sich vereinigen,
wenn Chi und Blut ungehindert fließen,
dann kann Krankheit nicht entstehen und man
vollendet die von Natur vorgesehene Lebensspanne.
Jiao Guorui

 

Ausgangspunkt

Beides ist essentiell für Gesundheit: Bewegung (Artikel hier) + Entspannung (Artikel hier und hier)

Heute geht es um Ausgleich. Und Ausgleich bedeutet NICHT Gleichförmigkeit.
Es bedeutet vielmehr Rhythmus des Lebens.

Vielleicht magst Du Musik.
Wie geht es Dir dabei, wenn Du auf einem Konzert 2 Stunden lang dem gleichen Takt folgen sollst?
Wenn jedes einzelne Stück mit dem gleichen Beat unterlegt ist?
Ich persönlich finde das extrem langweilig und monoton.

So wie bei der Musik immer wieder ein anderer Takt angeschlagen wird, so verändert sich in allen Bereichen des Lebens immer wieder die „Schlagzahl“ und die „Intensität“

Rhythmus bedeutet Wandel, Rhythmus ist lebendige Anpassung an das, was genau in diesem Moment richtig und wichtig ist.

Rhythmus ist Leben!

Der Rhythmus ist für mich der Grund aller Dinge. Mit dem Rhythmus beginnt das Leben, mit dem Herzschlag.
Herbert von Karajan
 

Rhythmen in der Natur

Alles im Universum verläuft in Rhythmen – unser ganzes Leben sind wir in diese natürlichen Abläufe eingebettet.
Natürliche Rhythmen bestimmen unser Leben und: sie geben Sicherheit.
Kannst Du Dir die Panik vorstellen, wenn die Sonne morgen mal sagen wir 4 Stunden später aufgehen würde. 😮

  • Ebbe und Flut
    Durch die Gravitation des Mondes und die Fliehkräfte entstehen diese Zyklen – Ebbe und Flut dauern zusammen 12 Stunden und 25 Minuten.
  • Mondphasen
    Ein voller Zyklus dauert 28 Tage – und nicht nur Cher und Jack Nicholson reagieren auf den vollen Mond empfindlich… 😉
  • Tag und Nacht
    Am Äquator sind Tag und Nacht jeweils 12 Stunden lang, an allen andeeren Orten variieren diese im Jahresverlauf.
    Ich persönlich möchte nicht am Äquator leben.
  • Die Jahreszeiten
    Ägypten, 1995: Ende eines Tauchganges, noch ein letzter Blick auf die unglaubliche Formen- und Farbenvielfalt, bevor das Auge die Wasseroberfläche durchbricht und in die Wüste blickt – die sich das ganze Jahr über praktisch nicht verändert.
    In diesem Moment ist mir klar geworden, wie wunderbar unsere Jahreszeiten und deren rhythmischer Wechsel von Entstehen, Weden, Wachsen und (scheinbarem) Vergehen ist.
  • Regen- und Trockenzeiten
  • Warmzeiten und Eiszeiten
    Das Zeitalter, in dem wir leben (Holozän genannt) ist eigentlich eine seit 12.000 Jahren anhaltende Zwischen-Eiszeit.
    Größere Temperaturschwankungen gab es schon immer und wird es immer geben.
  • Jahresumlauf
    In 365,25 Tagen umkreist unsere Erde ein Mal die Sonne.
  • Platonisches Jahr
    Auch Präessionsperdiode der Erdachse oder Weltjahr genannt.
    Ein Platonisches Jahr (eine Drehung der Erdachse umfasst einen Zeitraum von etwa 25.700 bis 25.800 Jahren.
    Ein „Monat“ entspricht dem Durchlauf durch ein Tierkreiszeichen – gute 2.000 Jahre.
    Du kennst doch sicher den Song „… this is the dawning of the Age of Aquarius…“
  • Kosmisches Jahr
    In rund 280 Millionen Jahren umkreist unsere Sonne (und natürlich die Erde) das Zentrum der Milchstraße.
    Erstaunlicherweise ist dies auch der Rhythmus der großen Eiszeiten.

 

Natürliche Rhythmen im Menschen

Ja, wir Menschen sind mitunter sehr verschieden. Osho sprach von menschlichen „Rennpferden“ und „Schildkröten“, die natürlich nach verschiedenen Rhythmen leben. Oder nehmen wir die Temperamentenlehre: Choleriker, Sanguiniker, Pflegmatikver und Melancholiker (von denen natürlich jeder Mensch Anteile hat).

Ganz besonders in der Anthroposophie wird dem ryhtmischen Wechsel von Schlafen und Wachen, von Ein- und Ausatmen, von Konzentration und Entspannung und von geistiger und körperlicher Arbeit eine elementare Bedeutung beigemessen, und dies von frühester Kindheit an.

Die Chronobilogen wissen, dass auch Wachstum und Fortpflanzung, Körpertemperatur, Konzentration, Geschicklichkeit, Potenz und Hörvermögen dem Ryhthmus der Zeit unterliegen.

Auch wenn wir alle Individuen sind, teilen wir doch ganz bestimmte Rhythmen:

  • Der Atem:
    Das Paradebeispiel für polaren Rhythmus – je nach Belastung und Situation verschieden, mal flach und kurz, mal tief und lang, mal Brust, mal mehr im Bauch, aber immer ein und aus…

    Im Atemholen sind zweierlei Gnaden:
    Die Luft einziehen, sich ihrer entladen
    Jenes bedrängt, dieses erfrischt
    So wunderbar ist das Leben gemischt.
    Johann Wolfgang Goethe
  • Schlafen und Wachen:
    Der „zirkadiane“ (lateinisch „rings um den Tag“) Rhythmus schlechthin – im Volksmund auch die „innere Uhr“ genannt.
    Hängt stark vom Rhythmus Tag-Nacht ab, ist also lichtabhängig.
    Nicht nur im Tierreich gibt es allerdings auch nachtaktive, morgenmufflige Individuen. 😉
  • Anspannung und Entspannung
    Jeder Muskel benötigt Kontraktion und Entspannung.
    Versuche einmal, eine Literflasche Mineralwasser längere Zeit mit waagerecht ausgestrecktem Arm zu halten…
    … und schreibe mir, wie lange Du es geschafft hast.
    Ein dauerangespannter Muskel wird nicht mehr richtig mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt.
  • Aktion und Regeneration
    Was für Muskeln gilt, hat auch für unser komplettes Leben Gültigkeit.
    Dynamik und Lebendigkeit entstehen aus dem Wechsel von Aktivität und Erholung.
  • Herzschlag
    Solltest Du der Meinung sein, dass hier ein gleichbleibender Takt  Gesundheit bedeutet: FALSCH.
    Ein gesunder Herzschlag variiert innerhalb von Sekunden.
    Die Herz-Rhythmus-Variabilität (HRV) ist ein wesentlicher Indikator für Gesundheit. Eine große HRV zeigt große Flexibilität in Hinblick auf körperliche und psychische Belastungen.
    Im 3. Jahrhundert schrieb ein chinesischer Arzt: „Wenn das Herz so regelmäßig schlägt wie der Regen vom Dach tropft, wird er Patient innerhalb von 4 Tagen sterben.“
    Andauernder Stress verringert die HRV, ausreichende Entspannung und körperliche Aktivität verbessern sie.
  • Erneuerung
    Unsere oberste Hautschicht erneuert sich alle 27 Tage.
    Nach 13 Monaten ist jedes Atom im Körper ersetzt
    Und im Zeitraum von 7 Jahren sind alle Zellen im Körper durch neue ersetzt.
  • Organuhr
    Die TCM – Traditionelle Chinesische Medizin – geht davon aus, dass unsere inneren Organe und ihre entsprechenden 12 Meridiane (Energieversorgungsbahnen) einem täglichen Rhythmus unterliegen.
    Der Lebermeridian beispielsweise besitzt zwischen 1 und 3 Uhr die höchste Energie, während er zwischen 13 und 15 Uhr am energieärmsten ist, die Leber also zu dieser Zeit am schwächsten arbeitet.
  • Bio-Rhythmen:
    Zum Zeitpunkt der Geburt beginnen bei jedem Menschen verschiedene Zyklen, die sich wie Sinuskurven durch unser gesamtes Leben ziehen:
    1) Physischer Zyklus mit der Dauer von 23 Tagen
    2) Emotionaler Zyklus mit der Dauer von 28 Tagen
    3) Intellektueller Zyklus mit der Dauer von 33 Tagen
    4) Spiritueller Zyklus mit der Dauer von 38 Tagen
    Dabei wechseln sich jeweils „Plusphasen“ höherer Aktivität mit „Minusphasen“ geringerer Aktivität ab.
    Deine persönlichen Bio-Rhythmen kannst Du Dir ganz einfach grafisch anzeigen lassen:
    Bio-Rhythmen anzeigen + Infos 1
    Bio-Rhythmen anzeigen + Infos 2
    (Der 38-er-Rhythmus wird hier leider nicht berücksichtigt.)

 

Es ist nichts ohne Rhythmus! Wo etwas Arhythmisches sich zeigt, da ist es schon in Gefahr, vom Räderwerk des Weltallgetriebes zentrifugal aus den Bahnen geschleudert zu werden, falls es nicht schleunigst wieder sich einfügt in den Rhythmus der Gesamtheit.
Carl Ludwig Schleich
 

Tipps + Gedanken

Der eigene innere Rhythmus schafft im Organismus einen Ausgleich zwischen gegensätzlichen Kräften und ist die Basis zur Stärkung der Selbstheilungskräfte.
Wie immer: auch hier kannst Du wieder sehr viel tun (und lassen 😉 )

  • Erster Tip: Höre auf Deinen Körper und auf Deine innere Stimme !
    Stelle Dir die Frage: „Wie geht es mir im Moment?“ „Was brauche ich jetzt?“
    Stellst Du beispielsweise Stress-Symptome bei Dir fest, dann gehe bewusst in die Entspannung…
    … und genieße diese.
    Spürst Du hingegen zunehmende Schlaffheit und Antriebslosigkeit, dann gehe (sanft 😉 in die Aktion.
    Folge dem Pfad auf die andere Seite
  • Eng damit verbunden: Blende im Zweifelsfall die Meinung der Anderen aus. Jeder hat seinen Rhythmus, hier geht es um Deinen.
  • Mache beim Arbeiten regelmäßige Pausen (je nach Tätigkeit ca. alle 45 bis 90 Minuten)
    Das verschafft Dir nicht nur Etspannung, sondern auch Entkoppelung und einen anderen Blickwinkel.
  • Entwickle ganz verschiedene Interessen und Fähigkeiten nach DEINEN Vorlieben.
    Was möchte ich? Wann möchte ich mir dafür Zeit nehmen? Schaffe Dir die dafür nötigen „Raum-und-Zeit-Oasen“
  • Was tun bei Schichtarbeit?
    Wer schichtet, sollte ganz bewusst nach Ausgleich suchen. Besonders Nachtschicht kann eine echte Herausforderung für die natürlichen Rhythmen sein.
    Hier findest Du hilfreiche Tipps:
    11 Tipps für die Nachtschicht
    Tipps für die Wechselschicht
  • Suche ganz bewusst nach dem Rhytmus in Deinem Leben
    – nach Deinem Termperament, nach Deiner Energie.
  • Achte auch auf einen Wechsel von geistigen und körperlichen Aktivitäten
    Dadurch bringst Du den „oberen“ und den „unteren“ Menschen in Einklang. (Begriffe aus der Anthroposophie)
  • Musik, Sprache und Bewegung
    Lass Dich ganz bewusst auf verschiedene Rhythmen ein, musiziere nach Möglichkeit auch selbst.
    (Die Stimme ist auch ein Instrument 😎
    Hierunter fallen auch Bewegungskünste wie Tai Chi, Qi Gong und Eurythmie (bitte nicht steinigen 😉 )
    Aber auch gesprochene oder gesungene Mantras sind hilfreich, manch einer schwört auf die Verbindung von Gehen und dem Rezitieren von Gedichten, vorwiegend im Hexameterversmaß (sechs Silben pro Verszeile)
    All das bringt Puls und Atmung in Übereinstimmung.
    Auch hier finde jeder das für sich Passende.
  • Künstlerische Tätigkeiten…
    … neben der Musik wie Zeichnen oder Aquarellmalen wirken auch sehr ausgleichend.
  • Atemtechniken
    Über den Atem kannst Du sehr vieles ausgleichen.
    Probiere doch mal Folgendes: Einatmen, Anhalten, Ausatmen, Anhalten   dabei jeweils innerlich bis 4 zählen, fortgeschritten auf 6 oder 8 zählen.
    Wenn Du entspannen möchtest, zähle beim Ausatmen doppelt so weit.
  • Nutze die Energien Deines Körpers
    Informationen über die Organuhr findest Du z.B. hier:
    Die 12 Organ-Energien / Meridiane
  • Bio-Rhythmen:
    Ein Blick auf Deine persönlichen Rhythmen (siehe oben) kann Dir die Erklärung liefern, warum Du z.B. momentan ruhebedürftig bist. Tipp: ist zur Erklärung sinnvoll, werde aber nicht zum Bio-Rhythmen-Hypochonder…  😛
  • Offenheit für Neues
    Spontanität, Offenheit, Neugierde, Veränderung, Fluß des Lebens…
  • „Arbeit“ und „Freizeit“ – Lebensbalance
    Ein paar Worte zur Work-Life-Balance
    Sicher gut gemeint, ich halte den Ansatz jedoch für Basis-falsch!
    Es impliziert, dass wir nicht leben, während wir arbeiten und nicht arbeiten, während wir leben.
    Leben sollte eigentlich immer stattfinden und in der Tat, das tut es. (Ich zumindest atme weiter, während ich arbeite 😉
    Oder hast Du noch nie Zufriedenheit gespürt, während Du arbeitest? Oder auch mal Frust in Deiner „Freizeit“
    Beides ist Lebenszeit und kann Quelle für Freude und Erfüllung sein – es macht also keinen Sinn, hier einen künstlichen Graben zu ziehen.
    Lass uns also vielmehr von einer Lebens-Rhythmik sprechen

 

Conclusio

Ein berühmter Seiltänzer wurde einmal gefragt, wie er es schaffe, immer in der Mitte zu bleiben.
Er antwortete sinngemäß:
Wollte ich versuchen, in der Mitte zu bleiben, wäre ich verloren. Ich bleibe gerade deshalb auf dem Seil, weil ich mir in einem gewissen Maße erlaube, mich in beide Richtungen zu bewegen.

Ich muss schon sagen: ein kluger Typ!

Die brodelnde subatomare Aktivität, die das Universum in Gang hält, befindet sich stets im Fluss. Jedes Teilchen schwankt viele tausend Male pro Sekunde zwischen Sein und Nichtsein hin und her, und so oszilliere auch ich im selben Rhythmus viele Milliarden Mal am Tag zwischen Sein und Nichtsein.
Deepak Chopra, Das Buch der Geheimnisse
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